Das Abkommen von Prespa geht korrekterweise davon aus, dass der Name „Mazedonien“ geteilt werden muss, so wie 1913 der geographische Raum der gleichnamigen Provinz des Osmanischen Reiches zwischen Griechenland, Bulgarien und Jugoslawien geteilt wurde. Man sollte sich daran erinnern, dass wegen der Aufteilung von Mazedonien zwei Balkankriege und die zwei anschließenden Weltkriege in dieser Region geführt wurden. Seit 1913 stellt Griechenland die Grenze nicht in Frage. Es verteidigt sich nur gegenüber revisionistischen territorialen Ansprüchen der Nordnachbarn, zuerst Bulgarien, dann Jugoslawien, die sich abwechselnd dafür in den letzten hundert Jahren einer Irredenta-Ideologie bedienten, des „Mazedonismus“. Diese Ideologie besagt folgendes: Die versklavten Brüder und Schwestern in den jeweils zwei anderen Ländern müssen befreit werden, die drei Teile von Mazedonien müssen wiedervereinigt und an dem jeweiligen Betreiber dieses politischen Mythos, Bulgarien bis zum Zweiten Weltkrieg, Jugoslawien danach, angegliedert werden. Auf dieser Ideologie gründete sich die „Volksrepublik Mazedonien“, später „Sozialistische Republik Mazedonien“, in den letzten Jahrzehnten „Republik Mazedonien“ im Inland und „Ehemalige jugoslawische Republik Mazedonien“ in der UNO genannt. Griechenland wehrte sich bis jetzt mit allen seinen Kräften gegen den „Mazedonismus“ in allen seinen Facetten.

Eine klare, dem Frieden auf dem Balkan heute dienende Sprachregelung wäre folgende: „Griechisches Mazedonien“ sollte der griechische Teil genannt werden, Bulgarisches Mazedonien der bulgarische, Südslawisches Mazedonien der ehemalige jugoslawische. Wegen der Differenzen mit den Minderheiten dort und speziell mit der großen albanischen Minderheit (über 25 % der Bevölkerung), die vor nicht allzu langer Zeit mit einem blutigen Bürgerkrieg ausgetragen wurden, wählte der zuletzt genannte Teil für sich den Namen „Nordmazedonien“. Der offizielle Staatsname „Republik Nordmazedonien“ soll von nun an die „Ehemalige jugoslawische Republik Mazedonien“ bezeichnen. Das Prespa-Abkommen erkennt und würdigt es.

Wird dieses Abkommen Frieden im Inneren und im Äußeren bringen, den sowohl der neu benannte Staat als auch der Balkan dringend braucht? Es kommt auf die praktizierte Interpretation des Abkommens an.

A). Wenn alle Substantive, Adjektive und Adverbien, die den Staat, seine Grenze, seine Staatsangehörigen, seine offizielle Sprache und Kultur betreffen, aus dem vereinbarten Namen abgeleitet werden, was eigentlich selbstverständlich sein sollte, wird das Abkommen Frieden bringen. Das bedeutet: Seine Bewohner sind die Bürger von Nordmazedonien, abgekürzt die Nordmazedonen, die Grenze ist die nordmazedonische (griechisch-nordmazedonische Grenze), offizielle Sprache und Kultur ebenfalls nordmazedonisch.

B). Wenn aber der Staat zwar offiziell „Nordmazedonien“ heißt, seine Bewohner aber „die Mazedonen“ sind, die „mazedonisch“ sprechen und ihre Grenze die „mazedonisch-griechische Grenze“ darstellt, und der Staat am Ende bloß „Mazedonien“ benannt wird, dann verfehlt dieses Abkommen sein Ziel, wird als Provokation verstanden, säht neuen Zwist in der Region und legt die Lunte an das Pulverfass der inneren Explosion. Das Abkommen würde angesichts von Geschichte und Gegenwart nicht lange halten.

Denn weder Griechenland noch Bulgarien wären mit solchen sprachlichen Übergriffen über die Grenze hinaus auf lange Sicht einverstanden und die Minderheiten in diesem Staat, allen voran die Albaner, die sich ethnisch nicht als „mazedonisch“ bezeichnen, würden die Sprachregeln bald in Frage stellen. Die vereinigte Klammer dagegen ist: Die Bürger von Nordmazedonien sind die Nordmazedonen, abgesehen davon wie sich die verschiedenen Bevölkerungsgruppen dort ethnisch bezeichnen wollen. Ebenfalls sollte alles „Staatliche“, die offizielle Grenze, Sprache, Kultur usw., aus der Staatlichkeit abgeleitet werden, also „nordmazedonisch“.

Das Abkommen selbst erlaubt beide Interpretationen, es ist ein Tummelplatz von Widersprüchen. Wichtig ist, wie die internationale Gemeinschaft dieses Abkommen sieht und anwendet. Die internationale Gemeinschaft ist allein durch das Völkerrecht gebunden. Bezüglich der Anerkennung eines Staates durch die anderen kümmert sich das Völkerrecht nicht um die innere „ethnische Zugehörigkeit“ (ob nämlich die Mehrheit „mazedonisch“ und die Minderheit „albanisch“ genannt werden will), sondern nur um die „Staatlichkeit“, und das ist die Basis der Beziehungen zu anderen Staaten. Internationale Organisationen, Politik und Medien in Europa können also viel zu dem Frieden auf dem Balkan und im Inneren von Nordmazedonien beitragen, indem sie alle Ableitungen von Substantiven, Adjektiven und anderen Wortarten aus dem Namen des Staates tätigen. Von Bezeichnungen, die mit ethnischer Zugehörigkeit zu tun haben („Mazedonen“, „mazedonische Nation“, „mazedonische Sprache“ usw.) und ein Griff über die Grenze hinaus zu Lasten anderer Staaten versprachlichen, sollten sie Abstand halten. Das gilt vor allem in Deutschland wegen seiner historisch belasteten Rolle in der Region.

Mit dieser praktischen Interpretation (alle Ableitungen aus dem Staatsnamen) ist das Abkommen zu begrüßen. Den Nordnachbarn der Griechen, den Nordmazedonen, ist Eintracht und Prosperität, Integration in die westlichen Strukturen, nicht nur in die NATO, sondern vor allem in die EU mit tatkräftiger griechischer Hilfe zu wünschen.