Veröffentlicht in „Exantas“ im Juni 2017
Die Verhandlungen zur Wiedervereinigung von Zypern sind im Juni 2017 gescheitert.
Ergebnisse früherer Verhandlungen sind inzwischen überholt.
Ob eine europäische oder eine asiatische Lösung des Zypernproblems bevorzugt wird, ist letzten Endes Sache der Zyprioten selbst. Auf der griechisch-zypriotischen Seite jedenfalls gibt es Zyprioten, die an Zypern und nicht etwa an Griechenland denken, schon seit der Zeit von Makarios. Mir scheint allerdings, dass die Griechisch-Zyprioten bei den vielen schmerzlichen Zugeständnissen, die sie bei den Verhandlungen machen müssen, drei Prinzipien auf keinen Fall aufgeben dürfen:
1. Die „Republik Zypern“ darf nicht untergehen.
Bei jedem Reorganisieren der inneren Verhältnisse, auch wenn das auf der Basis einer „bizonalen, bikommunalen Föderation“ geschehen sollte, darf der Staat, der 1960 gegründet und 2004 in die EU aufgenommen wurde, nicht aufgegeben werden.
2. Kein innerzypriotisches Abkommen, das mit dem EU-Recht nicht vereinbar ist, sollte akzeptiert werden.
3. Zypern braucht keine „Schutzmacht“ mehr.
Die eine Schutzmacht, Großbritannien, hat eine Kolonialvergangenheit, auf die man in Europa heute nicht gerade stolz ist. Sie besitzt 2,7 % des Territoriums der Republik Zypern (Sovereign Base Areas), ohne jemals die Zyprioten gefragt zu haben. Sie zahlt noch nicht einmal die vereinbarte Miete. Selbst die NATO hat keinen Zugang zu den mächtigen militärischen Anlagen dort. Ähnlich wie Spanien beim Thema Gibraltar sollte Zypern bei dem Thema britische Militärbasen auf der Insel anlässlich der Brexit-Verhandlungen in den zwei kommenden Jahren gefragt werden.
Die andere, die Türkei, hat unter zynischer Inanspruchnahme der Garantiestellung die Insel überfallen, besetzt, geteilt, Verbrechen großen Kalibers verübt und die von ihr garantierte Integrität der Republik Zypern selber untergraben.
Auch die dritte Schutzmacht, Griechenland, hat eine katastrophale Rolle in den 70er Jahren auf Zypern gespielt – kein Wunder, dass sich die Griechisch-Zyprioten von diesem „Mutterland“ abgewendet haben. Als einziger Garant der neuen Verhältnisse sollte die EU selbst auftreten. Wenn überhaupt noch in dem 21. Jahrhundert irgendwo auf der Welt eine „Schutzmacht“ gebraucht wird.
Was die EU betrifft, ist folgendes zu sagen. Das im Entstehen befindliche neue Regime auf Zypern wird ohnehin dem politischen System Europas widersprechen: eine Art institutionalisierte rassisch-religiöse Trennung der Bevölkerung und eine „politische Gleichheit“ der zwei Hauptgemeinden (die maronitische, armenische und latinische Minderheit gehen dabei leer aus), bei der das Demokratieprinzip „jeder Bürger eine Stimme“ lädiert wird. Die EU sollte aber nicht auch den nächsten Fehler begehen. Sie sollte ein vitales Interesse daran haben, die Verhandlungen zu begleiten und die Kompatibilität mit ihrem Recht zu sichern. Sonst wird sie von der Türkei über Zypern ständig erpresst – man denke etwa an die Behinderung von CETA durch Wallonien in Belgien.
Im Fall Zyperns entpuppt sich ohnehin die ganze „Europe is our common future“- Rhetorik, die wir anlässlich der Feierlichkeiten zu dem 60-jährigen Jubiläum der Europäischen Gemeinschaft im März 2017 gehört haben, etwa über gemeinsame Werte, gemeinsamen Einsatz für Sicherheit und Verteidigung der Außengrenze, gemeinsame Außenpolitik usw., als Farce. Aber speziell heute und speziell gegenüber dem Erdogan-Regime mit seinen aggressiven neo-osmanischen Ambitionen würde die EU einen tödlichen Fehler begehen, wenn sie Zypern der Türkei zum Fraß vorwirft, weil sie sich Zugeständnisse von ihr woanders erhofft. Es wäre höchste Zeit für eine solidarischere Haltung Europas – jetzt, wo die alte Kolonialmacht England die EU verlässt und sich die USA von den rauchenden Ruinen zurückziehen, die sie in der Region hinterlassen haben.
Kostas Dimakopoulos, Berlin/Athen.
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