Veröffentlicht in „Exantas“ im Dezember 2008.

 

Das Zypernproblem war und ist ein Problem illegaler fremder Militärintervention, Besetzung und Teilung eines souveränen Staates, der Mitglied der UNO und der EU ist, und ein Problem grober Menschenrechtsverletzungen – auch wenn dies in den meisten Artikeln darüber, die man in den deutschen Zeitungen und Zeitschriften liest, „realpolitisch“ ausgeblendet wird.

Es zeichnen sich heute zwei mögliche Lösungen gegeneinander ab:

Lösung A. Die beiden Parteien, Griechisch-Zyprioten auf der einen Seite, die Türkei und die Türkisch-Zyprioten auf der anderen Seite, einigen sich auf einen neuen Plan zur Wiedervereinigung der Insel, der nicht der Annan-Plan ist und der auf den Vorschriften und den Prinzipien des internationalen Rechts basiert. Für offene Fragen bleibt der Rekurs auf den Internationalen Gerichtshof in den Haag offen. Das bedeutet: Zurückziehen aller fremden Militärkräfte (selbstverständlich auch der griechischen), Stopp und Umkehr der illegalen Besiedlung, Zypern bleibt territorial einheitlich, souverän und unabhängig von fremden Staaten, mit einer Staatsangehörigkeit und einer internationalen Persönlichkeit und Identität nach außen. Das ist kein neuer Staat, sondern derselbe Staat, der am 01.05.2004 Mitglied der EU geworden ist und der jetzt, wie in der Beitrittsakte vorgesehen, mit allen seinen Teilen an dem Wohlstand und an der demokratischen Entwicklung der EU partizipiert, in die später, auch mit der Unterstützung des wiedervereinigten Zyperns, die Türkei ebenfalls aufgenommen werden soll.

Lösung B. Nordzypern wird abgespalten, zuerst als „TRNZ“, später wahrscheinlich auch förmlich annektiert von der Türkei, wie die letztere oft gedroht hat, es wird eventuell von manchen muslimischen Ländern anerkannt und bleibt endgültig wegen des zypriotischen und wohl griechischen Vetos (vielleicht auch wegen des Vetos anderer Länder) zusammen mit der Türkei außerhalb der EU. Die EU-Länder stehen vor dem Problem, wie sie auf die widerrechtliche und gewaltsame Teilung eines ihrer Mitgliedsstaaten reagieren sollen. Ich kann mir vorstellen, dass Zypern in diesem Fall noch nicht einmal einer privilegierten Partnerschaft der EU mit dem abgespaltenen Teil und der Türkei (statt der vollen Mitgliedschaft) zustimmen würde. Es ist zu hoffen, dass die EU-Solidarität gegenüber Zypern auch in diesem Fall erhalten bleibt.

Besser ist auf jeden Fall die Lösung A, im Rahmen derer ein großer Spielraum für Bewegungen und gegenseitige Zugeständnisse vorhanden ist.

Es gibt Zyprioten heute, im Gegensatz zu 1960, die die Selbständigkeit, Unabhängigkeit von anderen Staaten und territoriale Integrität Zyperns wollen, im Süden und wahrscheinlich im Norden Zyperns. Sie könnten sich verständigen, wenn man sie frei entscheiden lässt – Abstriche von Maximalforderungen müssen ohnehin beide hinnehmen. So könnte die Republik Zypern im Inneren durch eine große Verfassungs- und Verwaltungsreform in Richtung föderative Struktur reorganisiert werden, so dass Griechisch-Zyprioten und Türkisch-Zyprioten in ihren eigenen „Bundesländern“ oder „Kantonen“ Entscheidungen in selektierten Bereichen treffen können, die nur sie selbst betreffen. Das setzt selbstverständlich eine Revision der Zypernverträge von 1959 voraus. Und dabei sollte auch der Ballast der Vergangenheit abgeworfen werden.